© Harald Krondorfer

Gesamtfahrstrecke: ca. 1550 km

Diesmal fahren wir in Ludwigsburg bei herrlichem Wetter los. Wir bringen erstmal etwas Strecke hinter uns und fahren recht zügig über Stuttgart, Kirchheim/Teck bis nach Blaubeuren. Weiter geht’s auf Nebenstrecken über Laupheim, Ehningen, Ochsenhausen, Rot a. d. Rot und Leutkirch nach Isny. Eine zwar unspektakuläre, aber daher auch ganz entspannt zu fahrende Strecke. Da das Wetter noch hält, beschließen wir noch weiter bis in die Gegend von Sonthofen zu fahren. Östlich von Sonthofen zeigt die Karte eine eng geschlängelte Straße hinauf zum Oberjoch. Leider zeigt sich, dass die Jochstraße wegen Bauarbeiten gesperrt ist und so müssen wir zurück und die weniger kurvige Umleitung über Immenstadt und Rettenberg nehmen. Wir finden gerade rechtzeitig vor Einsetzen des Regens ein Zimmer in Unterjoch, steigen aus dem Leder und ab in die nächste Kneipe.

Am nächsten Morgen regnet es leider immer noch Bindfäden. Oh Mann, ist das wenig motivierend! Aber, südlichere Gefilde vor Augen, steigen wir in die Regenkombis und machen uns auf den Weg. Den Oberjochpaß (1178 m) sehen wir vor lauter Regen kaum – nur schnell weg hier. Im Tannheimer Tal ist dann vollends Weltuntergangs- stimmung. Der Haldensee ist über seine Ufer getreten und hat die Straße überspült. Na prima, hoffentlich geht der Motor nicht aus!

Über den recht unscheinbaren Gaichtpaß (1093 m) kommen wir nach Stanzach im Lechtal. Hier nehmen wir die uns noch aus 1997  bekannte Route durch das Namloser Tal, denn das Hahntennjoch hat auch in diesem Jahr noch Wintersperre.

Alpentour 1999

 Übersichtskarte

In Bichlbach bleibt uns wieder nichts anderes übrig, als uns in den Verkehr auf der “314” einzureihen. Über den Fernpaß (1209 m) geht’s nach Imst und dann immer im Inntal entlang bis nach Prutz. Die Straße ist zwar vielbefahren und nicht so besonders reizvoll, aber wenigstens konnten wir uns in Landeck aus den Regenkombis schälen. In Prutz machen wir einen Abstecher nach Ladis und Fiss. Die Gründe sind etwas sentimental, hier waren wir vor Jahren immer zum Skifahren, die Mehrheit der jetzt Anwesenden stand hier zum allerersten Mal auf Skiern. An der Talstation der Kabinenbahn steht ein großes Schild, das damit wirbt, das ab dem Winter 1999/2000 die Skigebiete von Fiss und Serfaus zusammengeschlossen werden. Wer hätte das gedacht: Bei der Intimfeindschaft, die die beiden Nachbarorte über lange Zeit gepflegt hatten, war diese “Vereinigung” sicherlich schwieriger als die deutsche. Ich beschließe, in diesem Winter wieder her zu kommen, und meine kleine Tochter auf Ski zu stellen...
Nach einem Abstecher auf einem Wander- bzw. Wirtschaftsweg die Skipiste hinauf, (das konnten wir uns beim besten Willen nicht verkneifen) fahren wir wieder die 13 Serpentinen runter ins Inntal.

Hinter Pfunds überqueren wir diesmal den Inn und fahren rauf nach Nauders. Die Straße durch eine enge Schlucht ist hier schon reizvoller, wenn auch vielbefahren. Kurz hinter dem Reschenpaß (1504 m) kommt man an den Reschensee. Einigermaßen bekannt ist der Kirchturm, der hier mitten aus dem Wasser ragt. Die Sonne scheint und man sieht kein Wölkchen am Himmel. Der See hat wundersamerweise kaum Wasser. Denkt man ans Tannheimer Tal heute morgen zurück, kann der Unterschied kaum krasser sein. Über Schlanders und Meran nähern wir uns bei ständig zunehmenden Temperaturen unserem Etappenziel, dem Kalterer See. Unfaßbar: Hier werden die Obstbäume und die Weinhänge sogar bewässert! Ich muß wieder an heute morgen denken. Aber so ist das, wenn man den Alpenhauptkamm überquert. In Tramin finden wir nette Zimmer direkt im Weinberg. Und soll noch einer sagen, dass Reisen nicht bildet: Wir hatten jedenfalls nicht gewußt, wo der Gewürztraminer seinen Namen her hat. Wir lernen aber auch, daß dieser Wein mit dem sehr intensivem Geschmack hier nur noch auf einem kleinen Teil der Fläche angebaut wird.

Das Wetter am nächsten Morgen ist vielversprechend: sonnig und warm. Beste Voraussetzungen also für den Höhepunkt unserer diesjährigen Tour – die Dolomiten. Schon die kurvenreiche Auffahrt nach Cavalese durch sattgrüne Wälder gibt uns einen guten Vorgeschmack. Der erste Paß ist der Pso. de Lavaze (1805 m). Oben auf der Paßhöhe ist es um diese Tageszeit noch recht frisch und wir können nicht umhin, als doch noch einen Pullover zu zücken. Über den Pso. di Costalunga (1753 m) gelangen wir ins Fassatal und nach Canazei. Die unter Motorrad- und Skifahrern gleichermaßen bekannte Sella ronda können wir natürlich nicht auslassen. Also los, im Gegenuhrzeigersinn: Pso. di Pordoi (2239 m), Pso. di Campolongo (1875 m), Pso. di Gardena (2121 m) und Pso. di Sella (2237 m) - unzählige Kurven später stehen wir wieder in Canazei. Und wir hatten Glück: Kaum Busse und keine Wohnmobile, die in Kehren zurücksetzen müssen. Das habe ich sommers schon mal anders kennengelernt. Ziemlich ausgetobt und eigentlich nicht in der Erwartung, dies noch toppen zu können, fahren wir über den Pso. di Fedaia (2056 m) nach Rocca Pietore. Um den Eingang in die Sottogudaschlucht  zu finden, muß man schon ein bißchen suchen, aber das lohnt sich. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so enge Schlucht befahren zu haben. Und von der Brücke über die Schlucht kann man wirklich spektakuläre Fotos schießen. Ein echtes Highlight!

Über den Pso. die Giau (2236 m) gelangt man nach Cortina d’Ampezzo. Über diesen Paß heißt es in meinem schlauen Buch (“Alpen” von E. & D. Loßkarn, erschienen im Motorbuch Verlag): Ein relativ wenig befahrener Übergang mit sanften Anstieg und ebensolchen Kurven. Ein anfängerfreundlicher Paß, so richtig etwas zum Einsteigen ins Bergfahren.” So unterschiedlich kann man das sehen. Wenig befahren stimmt, und unter anderem deswegen lädt die neu asphaltierte Strecke so richtig zum Gasgeben ein. Ich geriet jedenfalls regelrecht in Trance, so wie es mir vorher noch nie passiert ist. Selten zuvor habe ich soviel Gummi liegen lassen, wie auf dieser Auffahrt. Oben angekommen brauchte ich jedenfalls eine längere Pause um wieder zu mir zu kommen.

Von Cortina führt eine schöne Straße über den 1809 m hohen Pso. die Tre Croci. Aber den Pässen, die wir heute gefahren sind, kann dieser nicht das Wasser reichen. Zudem werden wir langsam müde und hungrig,  so dass wir uns ab  Dobbiaco (Toblach) nach einem günstigen Zimmer umschauen. In Monguelfo (Welsberg) werden wir schließlich fündig. Jedoch reißt uns die Gegend hier nicht so recht vom Stuhl. Um diese Zeit scheint im Pustertal nicht viel los zu sein. Jedenfalls suchen wir lange, um ein Restaurant zu finden, das geöffnet ist. Vom Ober erfahren wir, daß der Staller Sattel (2016 m), der Übergang nach Österreich, zwar offiziell noch Wintersperre hat, aber mit Motorrädern sicher schon befahrbar sei. Der Übergang würde immer erst an Pfingsten aufgemacht. Zwar wird seit dem EU-Beitritt Österreichs nicht unbedingt mehr ein Grenzer benötigt, dafür aber immer noch eine (Amts-)Person, die den Verkehr regelt. Denn die enge Straße kann nur jeweils von einer Seite befahren werden und wird deshalb immer wechselseitig freigegeben.

Am nächsten Morgen beschließen wir, dem Ober zu trauen und die Auffahrt zu probieren. Und tatsächlich: Wir müssen nur zwei “Durchfahrt verboten” Schilder ignorieren und schon können wir rauf. Links und rechts der Straße liegen zwar noch Schneereste, die Straße ist aber frei. Oben angekommen ist es aber empfindlich kalt und siehe da, es rieseln uns ein paar feine Schneeflocken um die Nase. Wir sind wieder nördlich des Alpenhauptkamms.

Auf der österreichischen Seite fahren wir bis Huben und fädeln uns in den Verkehr auf der “108” ein. Der Großglockner hat natürlich noch Wintersperre und so passieren wir bei Eiseskälte und Nieselregen den Felbertauerntunnel. Da wir inzwischen eh auf den Mopeds festgefroren sind, bleiben wir auf der Hauptstraße und halten uns in nordwestlicher Richtung: Kitzbühl, Ellmau, Wörgl. In Wiesing zweigen wir von der Inntalstraße ab und fahren am Achensee entlang zum Achenpaß (941 m).

So langsam wird’s wieder wärmer und wir tauen wieder auf. Aber dennoch: Nach dem grandiosen Tag in den Dolomiten können uns die deutschen Landstraßen nicht so richtig begeistern. Also nix wie heim: über Bad Tölz und Weilheim nach Landsberg/Lech und ab auf die Bahn, über Memmingen und Ulm heim nach Ludwigsburg.

 Tannheimer Tal

 

bei Cortina d'Ampezzo

 

 Sottogudaschlucht