Gesamtfahrstrecke: 730 miles (ca. 1170 km)
Dieses Jahr ist alles anders: Seit letztem Jahr wohnen wir in den USA. Himmelfahrt ist in USA kein Feiertag, und die Alpen sind für eine drei- oder viertägige Tour einfach unerreichbar. Meine schwarze BMW ist eingelagert und für mich unerreichbar in Deutschland.
Dennoch möchte ich auf die jährliche Mopedtour natürlich nicht verzichten. Diesmal wird es keine “Männersache”: Drea hat mir jahrelang Ausgang gegeben und geduldig auf die Gelegenheit gewartet, mal wieder eine längere Tour mitzumachen (bislang hatte sie immer die Kinder gehütet). In diesem Jahr bieten sich die Großeltern als Babysitter an.
Da es recht schwierig ist, Motorräder für langer als drei Monate in die USA zu bringen, mussten wir uns auch diesbezüglich neu ausstatten (siehe auch unter bikes). Die Buell X1 Lightning ist wie geschaffen für Alpenpässe: leicht, handlich, kerniges Drehmoment und ausreichend Leistung. Leider ist dies nicht das ideale Moped für Illinois. Das speed limit ist 55 mph (manchmal 65 mph) und die cops warten hinter jeder Ecke, um abzukassieren. Außerdem sind die Straßen meist schnurgerade, und die Buell verlangt nach kurvigen Passstrecken. Es hat schon einen Grund, warum hier zu 80% Harleys rumfahren (außer der geografischen Nähe zu Milwaukee). Zum gemütlichen Cruisen ist die DynaGlide das richtige Moped: Man hört dem Blubbern des 1450 cc V-Twins zu und kann auch längere Geraden (und die gibt zuhauf) problemlos genießen.
Die Startaufstellung für unsere diesjährge Tour durch southern Wisconsin ist also:
Drea: Buell X1 Lightning
Harry: Harley-Davidson FXDX Dyna SuperGlide
Wisconsin 2004
1. Tag: Mundelein, IL - Kaukauna, WI
Wir starten relativ spät (irgendwoher kennen wir das doch schon) und halten uns nördlich. Einen ersten Zwischenstopp machen wir am Lake Geneva. Dies ist ein richtig netter See gleich hinter der Grenze in Wisconsin, mit Badestrand, Ausflugsdampfern und einer Promenade, die zum Eisessen einlädt. Weiter geht’s a uf der Rt. 67, die wenig spektakulär nach Norden führt. Das Wetter ist prima, die V-Twins blubbern gemütlich, und so bemerken wir gar nicht, dass wir uns doch klar jenseits des Speedlimits bewegen. Zum Glück wartet in Theresa (etwas südlich von Fond du Lac) ein netter Cop auf uns, der uns mit Blaulicht und Sirene stoppt um uns auf unser Fehlverhalten hinzuweisen. Als er erfährt, das wir verheiratet sind, meint er gnädigerweise, dass er nur ein Ticket ausstellen wird - Familienrabatt sozusagen oder buy 1, get 1 free! Als wir dann aber erfahren, dass 15 mph überm limit gleichbedeutend mit $150.00 sind, beschliessen wir dann doch, künftig den Tacho besser im Auge zu behalten (oder als Alternative die Gebüsche am Straßenrand besser nach versteckten Cops abzuscannen). Wenigstens müssen wir nicht bei Gericht erscheinen (das passiert hier ganz schnell) und wir bekommen keine Punkte in Illinois, sonst würde früher oder später unsere Versicherungsprämie steigen...
Nach diesem unfreiwilligen Zwischenstopp fahren wir am Ostufer des Lake Winnebago nach Kaukauna, wo wir uns zwei Dosen Bier im Hotelzimmer hinter die Binde kippen und dabei noch ein bisschen Olympia gucken.
2. Tag: Kaukauna, WI - La Crosse, WI
Heute müssen wir uns entscheiden: Fahren wir weiter nach Norden (insgeheim hatte ich ja gehofft, den Lake Superior zu sehen), oder halten wir uns westlich, Richtung Mississippi? Wir treffen unsere Entscheidung nach einem Blick in den Himmel und auf die Karte:<
Das Wetter ist heute nicht besonders toll: recht kühl und sehr bedeckt. Der Wetterbericht für morgen verspricht auch kein besonders gutes Mopedwetter, es ist im Gegenteil Regen angesagt. Und die Entfernungstabelle auf unserer Wisconsinkarte belehrt uns, dass wir heute etwa 350 Meilen und morgen 450 Meilen zu fahren hätten - auf Interstates! Auf Nebenstraßen sind das erfahrungsgemäß nochmal 30% bis 50% mehr! Verdammt noch eins, ist Wisconsin groß: von Superior im Nordwesten bis nach Racine im Südosten sind es 410 Meilen (660 km)! Zudem hadern wir mit der Entscheidung, nur einen Tankrucksack für uns beide mitzunehmen. Deshalb mussten die Regenkombis und ein paar warme Pullover zu Hause bleiben, und obwohl es nicht so richtig kalt ist, so sind 58°F (14°C) doch grenzwertig in meiner “Sommerjacke”, durch die es überall durchpfeift. Und dann morgen einen Gewaltritt im Regen? Nee danke - wir entscheiden uns für den Mississippi, dabei fahren wir immer noch genug und entfernen uns nicht ganz soweit von zuhause.
Startaufstellung |
Southern Wisconsin |
Country roads |
Country roads |
Vielversprechend... |
Schotterstrecken |
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Am Mississippi bei LaCrosse |
Western Wisconsin |
Western Wisconsin |
Also westwärts! In Appleton zweigen wir vom I41 ab und fahren auf county roads durch kleine Käffer. Im Waushara County folgen wir der county road ‘H’ bis nach Wild Rose. Weiter geht’s auf der ‘O’ und der ‘D’ bis nach Rome. Das Kolosseum haben wir hier nicht gefunden, aber eine Verbindungsstraße zum Pelenwell Lake, die auf unserer Karte nicht verzeichnet ist. Am See entlang geht’s nach Süden bis zur ‘21’, der wir ein paar Meilen nach Westen folgen. Da die größeren Highways recht langweilig sind, wollen wir die ‘21’ so schnell wie möglich wieder verlassen. Unsere Absicht ist es, die county road ‘H’ (Adams county) nach Norden zu nehmen, wir verpassen aber den Abzweig und landen auf einer anderen Straße die ebenfalls nach Norden führt. Auch gut, denken wir und werden erst etwas nachdenklich, als rechts und links nur Sumpfland zu sehen ist und der Asphalt in Schotter übergeht. So geht es dann einige Meilen, lange Staubfahnen hinter uns herziehend, durch gelegentlich recht tückischen, weil tiefen Schotter. Weder mit der Buell noch mit der Harley ein richtiges Vergnügen, aber immerhin ein kleines Abenteuer, von dem man später berichten kann…
Den nächsten Asphalt, den wir sehen, ist der des Hwy 54. Wir biegen links ab und machen ein paar Meilen bis nach Black River Falls. Hier ändert sich die Landschaft: Mehr und mehr Hügel und die county roads sind nicht nur kleiner und weniger befahren als die Highways, sondern folgen auch eher der Landschaft als der Himmelsrichtung. Das Resultat: Kurven! Wir fühlen uns fast wie im Weserbergland: Sattgrüne Weiden, Tannen - und Fichtenwälder und kuvige Landstraßen. Plötzlich friert es uns auch gar nicht mehr so arg :-)
Wir haben gute Erfahrungen mit county roads mit dem Buchstaben ‘H’ gemacht, und so beschließen wir, auch der im Jackson county zu folgen. Über Ettrick und Galesville kommen wir zum Hwy 53, auf dem wir nach La Crosse rutschen. Im Hotel werden wir mit Freibier begrüßt: Allerdings müssen wir uns ranhalten, denn die Happy Hour ist nur noch eine halbe Stunde... Später genießen wir noch den whirlpool - nach einem Tag Frösteln genau das richtige! Wenigstens sind wir nicht nass geworden, obwohl es heute ständig so aussah als würde es jeden Moment anfangen zu regnen.
3. Tag: La Crosse, WI - Mundelein, IL
Das Wetter ist nicht besser als gestern. Es ist zwar ein paar Grad wärmer, aber die Wolkendecke ist so dicht, dass wir sicher sein können, heute nass zu werden. So’n Mist: Hätten wir doch bloß Regenkombis dabei...
Wir beschließen, uns nicht kirre machen zu lassen und nehmen uns erstmal die Zeit, im county park südlich von LaCrosse an den Mississippi zu fahren. Es ist eine ganz eigenartige Atmosphäre: Man kann nicht erkennen, ob der Fluss fließt, es gibt jede Menge kleine Inselchen und es ist absolut still. Lässt sich nur schwer beschreiben, muss man gesehen haben.
Wir folgen dem Mississippi bis nach Ferryville. So schön der Fluss auch ist, zum Mopedfahren scheinen uns die Nebenstraßen interessanter (siehe Weserbergland?). Wir nehmen die county road ‘B’ (Crawford county) und werden nicht enttäuscht. Dieses Sträßchen entpuppt sich als traumhaft. Leider kann Drea die Vorteile der Buell nicht ausspielen, da die Straße nass ist. Offenbar fahren wir dem Regen hinterher. Dennoch macht die Strecke riesig Spaß. In Towerville, zweigen wir ab auf die ‘C’ nach Soldiers Grove, dann nehmen wir die ‘H’ (schon wieder) zum Hwy 171 und Hwy 14 nach Richland center. Hier ist das Wetter dann richtig eklig (nu regnet’s richtig) und wir beschließen einzukehren und den Regen beim Mittagessen auszusitzen. Das klappt dann auch ganz gut - als wir wieder losfahren hat’s wieder aufgehört zu regnen. Ich würde allerdings sagen, Richland Center markiert die östliche Grenze des wirklich interessanten Mopedterrains, weiter östlich werden die Hügel zusehends flacher, die Kurven länger, bis schließlich von beiden nix mehr zu sehen ist.
Wir folgen der ‘N’ nach Plain, dort fängt’s wieder an zu regnen und wir beschließen, dass wir besser auf den Highway fahren, um schneller voran zu kommen. Kurz hinter Madison hört’s wieder auf zu regnen und es kommt sogar die Sonne durch. Wir folgen dem Hwy 12 nach Osten, über Whitewater nach Lake Geneva. Von hier geht’s über bekannte Pfade (county road ‘H’, zum letzten Mal) nach Richmond, Illinois und dann zurück nach Mundelein.
Fazit nach 730 Meilen (1170 km):
Der Mittlere Westen der USA ist nicht so langweilig wie befürchtet. Wenn man in Wisconsin eine county road mit dem Buschstaben ‘H’ findet, sollte man ihr folgen ;-). Das Wetter ist auch nicht so beständig wie gedacht. Das nächst Mal nehmen wir die Regenkombis mit!
Die Gegend entlang des Mississippi bietet durchaus ein gutes Terrain für Mopedtouren. Alpenfeeling kommt natürlich nicht auf. Da müssen wir uns wohl die Fotos der letzten Jahre anschauen...