© Harald Krondorfer

Gesamtfahrstrecke: ca. 1300 km

Da wir mal wieder erst recht spät losgekommen sind, beschließen wir, so schnell wie möglich in die Alpen zu kommen, ohne uns zu lange aufzuhalten. Wir beginnen unsere Tour daher eigentlich untypisch: auf der Autobahn. Aber nur von Ludwigsburg über Leonberg bis nach Kirchheim. Ab hier geht es dann die Schwäbische Alb nach Schopfloch rauf. In Erwartung der vor uns liegenden Alpenpässe bringen wir die Strecke über Ehningen, Biberach, Bad Wurzach, Leutkirch und Isny bis nach Oberstaufen recht schnell hinter uns. Vor Immenstadt legen wir eine kurze Kaffeepause am Alpsee ein, dann biegen wir in Fischen i. A. von der Hauptstasse ab in Richtung Riedbergpaß (1450 m). Und der zeigt sich von seiner allerbesten Seite: Praktisch ohne Verkehr und bei strahlendem Sonnenschein pfeifen wir die neu asphaltierte Straße zum Paß rauf.

Derartig auf den Geschmack gekommen, fahren wir weiter über Hittisau, Egg und dann auf der “200” bis nach Au. Von hier zweigt die Straße nach Damüls und zum Faschinajoch (1486 m) ab. Die Eingeborenen in dieser Gegend sind Walser, ein Völkchen mit einem etwas eigenartigem Dialekt. Der Furkapaß ist leider gesperrt und so halten wir uns südlich und fahren über Fontanella ab nach Raggal, wo wir uns eine Bleibe suchen.

Auch am nächsten Morgen scheint die Sonne und es scheint wieder recht heiß zu werden. Wir fahren zunächst nach Feldkirch. Von hier aus bietet die Strecke durch das Rheintal außer dem Luzisteig (713 m) leider nicht allzuviel. Wir folgen ab Reichenau der “13” durch die recht spektakuläre Via Mala bis nach Splügen.

Alpentour 2000

 Übersichtskarte

am Stilfser Joch
Ofenpass
Von hier aus ist es unbedingt empfehlenswert, die Hauptstaße zu verlassen und sich dem Splügenpass (2113 m) zuzuwenden. Hinter der Paßhöhe fallen einige Geisterdörfer auf. Nur bei einigen wenigen der verrammelten Häuser deuten Satellitenschüsseln darauf hin, daß sie zumindest zeitweise bewohnt werden. Obwohl es an einem heißen Tag wie heute hier oben wirklich angenehm ist, läßt die spärliche Vegetation doch auf ein sehr rauhes Klima schließen, was eine Erklärung dafür sein kann, warum ein großer Teil der Häuser offensichtlich nicht bewohnt ist. Bleibt noch die Frage, warum überhaupt mal jemand auf die Idee kam, in dieser gottverlassenen Gegend zu siedeln.

In Chiavenna müssen wir uns entscheiden: rechts in Richtung Comer See und Lago Maggiore oder links zum Malojapaß (1815 m)? Wir haben außerdem gerüchteweise gehört, dass das Stilfser Joch an diesem Wochenende geöffnet werden soll. Da wir ja schon 1998 am Lago Maggiore waren und da die Chance aufs Stilfser Joch aufgrund des späten Feiertags (Anfang Juni) bei unserer jährlichen “Himmelfahrtstour” noch nie so gut war wie heute, entscheiden wir uns für links. Am Silser See legen wir einen Stopp ein und geniessen bei einem kleinen Imbiß das Wetter und die Aussicht.

Wir beschließen, eine kleine Extrarunde über den Julierpaß (2284 m) nach Tiefencastel und dann über den Albulapaß (2315 m) zu machen. Diese Runde verdient locker vier Sterne, denn es ist alles dabei: Kehren und längere Kurven zum Wedeln, und das alles mit sehr wenig Verkehr. Wir fahren über Ponteresina zum Berninapaß (2328 m). Auch der ist wie die beiden vorigen uneingeschränkt empfehlenswert.

Wir biegen kurz nach der Paßhöhe ab über den Forcola di Livigno (2315 m). Inzwischen machen sich  Müdigkeit und Hunger deutlich bemerkbar, außerdem fahre ich schon arg lange auf Reserve. Aber in Livigno findet sich alles, was wir nach diesem fantastischen Tag noch brauchen: Tankstelle, Kneipe und Bett (in dieser Priorität).

Beim Frühstück führt unsere Señora in unserem Auftrag einige Telefonate, um uns dann stolz mitzuteilen, dass das Stilfser Joch offen sei. Na prima! Als wir im Ort auf die Hauptstraße einbiegen wollen, fährt gerade eine Gruppe aus mehr als zwanzig Motorrädern vorbei. Na ja, wir sind ja nicht zum Heizen hier, sondern um die Landschaft zu genießen. Wir zockeln also gemütlich hinterher. Ein Fehler, wie sich bald herausstellt. Zunächst ist es ja noch ganz lustig zuzusehen, wie eine Goldwing in jeder kleinen Kurve mit dem weit ausladenden Gefrierschrank oder der Satellitenschüssel am Asphalt kratzt. Später aber müssen wir feststellen, dass es ganz schön nervig ist, eine ganze Gruppe Motorradfahrer auf einer kurvigen Straße zu überholen, vor allem, wenn diese in jeder Kurve die ganze Straßenbreite brauchen und auf den kurzen Geraden ihre Motorleistung ausspielen. Ich ärgere mich einige Male während der Auffahrt zum Passo di Fascagno (2291 m), dass wir in Livigno nicht fünf Minuten eher dran waren.

Aber irgendwann ist auch die widerspenstigste Gruppe überholt und in Bormio freuen wir uns über freie Fahrt zum Stilfser Joch (2757 m). Diesen Alpenklassiker hatte ich von einer früheren Überquerung im Sommer 1994 in keiner besonders guten Erinnerung. Damals quälten sich Hunderte von Wohnmobilen die Paßstraße rauf. Was das bedeutet, kann man leicht erahnen: Keines dieser Dinger schafft auch nur eine Serpentine ohne Zurücksetzen und dabei setzen die meisten dann mit Ihrem Überhang auf, was die Sache nicht gerade beschleunigt. Als Mopedfahrer steht man oft wütend daneben und kämpft in den Dieselwolken gegen die Übelkeit. Und alles nur, damit sich der Held hinterm Steuer noch einen Aufkleber auf die Heckscheibe bäppen kann. Ich fragte mich damals, warum man die dusseligen Aufkleber nicht im Tal zu kaufen bekommt.
Ganz anders aber heute: Freie Fahrt und klare Luft! Einfach gigantisch! Auf der Westseite sind die Serpentinen zwar nicht ganz so eng und zahlreich wie auf der Ostseite, das hat aber den Vorteil, dass man nicht ständig in den ersten Gang zurückschalten muß. Es geht einfach flüssiger den Berg rauf.

Einen kleinen Dämpfer erhalten wir auf der Paßhöhe: Die Abfahrt nach Gomagoi ist noch nicht wieder gerichtet und so bleibt uns nichts anderes übrig als umzukehren und über den Umbrailpaß (2501 m) nach Sta Maria abzufahren. Die Straße ist auf weiten Teilen fein geschottert und bei Trockenheit ist dies auch mit Straßenmopeds prima zu fahren. In Sta. Maria biegen wir wieder auf die Hauptstraße ein und überqueren den Ofenpaß (2149 m). Die Straße hier mit vielen langgezogenen Kurven lädt regelrecht zum Gasgeben ein. Leider (oder zum Glück) fallen hier einzelne Regentropfen und in einer Kurve versetzt es mir das Hinterrad, so dass wir die Sache dann doch etwas vorsichtiger angehen.

Als wir in Susch eine Pause einlegen, scheint aber schon wieder die Sonne. Wir müssen uns jetzt langsam über den Heimweg Gedanken machen. Da wir die Strecke über Schuls schon aus 1997 kennen, und wissen, dass sie eher vielbefahren ist, weichen wir auf eine kleine, parallel zur Hauptstraße verlaufende Strecke aus. Diese geht über Guarda, Ardez und Ftan nach Schuls. Zu einem guten Teil geht es hier über unbefestigte Wege, so dass wir zeitweise gar nicht mehr so sicher waren, ob wir noch richtig waren. Wir trafen auf dieser Strecke auch keine einzige Ducati (die ja auf den gut ausgebauten Alpenstraßen schon fast zum gewohnten Straßenbild gehören).

Inzwischen ist es auch so richtig heiß geworden (29°C im Schatten), so dass die Lederhose unangenehm am Allerwertesten klebt. Wir fahren möglichst schnell durchs Inntal bis nach Landeck. Zum einen, um möglichst viel Fahrtwind zu bekommen und zum anderen, weil die vielbefahrene Strecke wirklich nicht sonderlich reizvoll ist. Von Landeck geht es ähnlich weiter bis zum Arlbergpaß (1793 m), wo wir dann aber die Straße über den Flexenpaß (1773 m) nach Zürs, Lech und schließlich nach Warth nehmen. So können wir nochmals den Hochtannbergpaß (1679 m) unter die Räder nehmen, an den wir uns aus 1997 noch gut erinnern.

Damals war der Hochtannberg unser erster Alpenpaß, auf der diesjährigen Tour ist er unser letzter. Leider wollen wir dann ein klein bißchen zu schnell nach Hause. In der Folge darf ich daher noch 300 Öschis an den Ortspolizisten in Au überreichen, da er seine Lasergun noch nicht vollständig abbezahlt hat und dafür eine Kollekte veranstaltet. Aber man hilft ja gern...

Nach dieser kurzen Unterbrechung unseres Vorwärtsdrangs begeben wir uns bei Bregenz auf die Bahn und drehen den Gashahn auf unserem Weg über Memmingen, Ulm und Leonberg bis nach Ludwigsburg nicht mehr zu.