© Harald Krondorfer

Gesamtfahrstrecke: ca. 1680 km

1. Tag: 400 km
Terminschwierigkeiten zwingen uns dazu, unsere Himmelfahrtstour auch in diesem Jahr auf das lange Wochenende um Fronleichnam zu verschieben. In Anbetracht des tollen Wetters, dass wir vom 18.-21. Juni haben, ist dies nicht die schlechteste Entscheidung. Allerdings gibt es auch eine Kehrseite: Soviele Mopedfahrer wie in diesem Jahr haben wir noch nie getroffen - dies führt sogar dazu, dass wir uns vor einigen Kehren am Timmelsjoch regelrecht anstellen müssen! Doch dazu komme ich später.

Wie fast jedesmal komen wir auch in diesem Jahr erst gegen Mittag los. Schuld bin ich, da ich am Abend vorher nicht dazu gekommen bin, meine sieben Sachen zusammen zu packen. Zu allem Überfluss fällt mein Blick noch auf meinen Bremsflüssigkeitsbehälter, in dem eine trübe Brühe knapp unter der Minimummarke herumschwappt. “Mensch, das wollte ich doch schon längst erledigt haben” - aber so kann ich nun wirklich nicht aufbrechen. Also laufe ich noch schnell zur Tanke  (wie praktisch, die ist gleich nebenan) und erstehe eine Dose Bremsflüssigkeit. “Wo war nochmal der Schlauch zum Entlüften?” Nach 15 Minuten Sucherei ist der auch gefunden und die Bremsflüssigkeit gewechselt. Derweil beginnt Carsten schon zu drängeln (nicht ganz zu Unrecht).

Wie immer ist selbst die grobe Richtung noch völlig unklar: Gardasee oder mal nach Slovenien? Egal, erstmal nur losfahren. Wir fahren von Ludwigsburg über Remseck nach Fellbach und finden ein paar nette kleine Straßen oberhalb des Remstals. Insbesondere die Strecke von Schnait nach Manolzweiler stimmt uns schon etwas ein auf das, was vor uns liegt. Die Schwäbische Alb erklimmen wir bei Bad Ditzenbach. Über Merklingen, Blaubeuren, Laupheim, Ochsenhausen und Kißlegg erreichen wir ziemlich flott Wangen im Allgäu. Bei Sigmarszell überqueren wir die deutsch-österreichische Grenze zum ersten Mal. Heute wird der Tag der Grenzübertritte: Insgesamt überqueren wir die Grenze sechs Mal. Glücklicherweise sehen wir dabei keinen einzigen Zöllner mehr. Dies gehört eindeutig zu den guten Seiten der Europäischen Union (neben dem Wegfall der lästigen und teuren Geldtauscherei). Bei Scheidegg verlassen wir Österreich, nur um bei Scheffau wieder einzureisen. An der grenznahen Tankstelle bilden sich riesige Schlangen, die unter anderem daher rühren, dass der Tankwart mit dem Geldeinsammeln nicht hinterherkommt. Wenn österreichische Tankstellenpächter Wahlrecht in Deutschland hätten, würden sie sicherlich grün wählen. Jedenfalls sind mit den Folgen der rot-grünen Politik in D für die grenznahen Tankstellenpächter rosige Zeiten angebrochen. Dass sich die deutschen Autofahrer über die Benzinpreise schwarz ärgern, führt nämlich offenbar dazu, dass sich österreichische Tankwarte eine goldene Nase verdienen.
Über Krumbach führt uns der Weg nach Hittisau, von wo wir zum Riedbergpass (1450 m) abbiegen. Verglichen mit dem Jahr 2000 hat die Straßendecke ganz schön gelitten. Die geltende Tempobegrenzung von 40 km/h scheint uns dennoch übertreiben ;-) Von Sonthofen nehmen wir gleich den Oberjochpass (1178 m), dessen wirklich schöne Serpentinen wir 1999 wegen eines Unwetters verpasst hatten. Durchs Tannheimer Tal geht’s über den Gaichtpass (1093 m) nach Reutte. Die Passhöhe haben wir gar nicht wahrgenommen, sondern nur im Nachhinein auf der Karte entdeckt. Es steht aber noch ein kleinerer Pass auf dem Programm: am Ammersattel (1118 m) überqueren wir heute zum letzten Mal die Grenze. In Graswang finden wir ein Zimmer und beim Abendessen treffen wir die Entscheidung für den Gardasee.

2. Tag: 400 km
In der Nacht hat es geregnet, aber am Morgen sind die Straßen schon wieder trocken. Der Weg über Garmisch bis nach Zirl im Inntal ist unspektakulär. Wir wollen über den Kühtaisattel (2017 m) zum Timmelsjoch (2474 m). An Fronleichnam ist das aber gar nicht so einfach, wir werden von zwei Prozessionen aufgehalten.

Alpentour 2003

 Routenübersicht

Fronleichnamsprozession am Kühtai
Auffahrt zum Timmelsjoch
Passo Groce Domini
Passo Groce Domini
Gaviapass
Im letzten Jahr sind wir diese beiden Pässe in entgegengesetzter Richtung gefahren. Uns fällt diesmal besonders auf, wie viele Motorradfahrer unterwegs sind. Haben die alle meine Seiten gelesen? Bei der Auffahrt zum Timmelsjoch müssen wir tatsächlich vor einigen Kehren warten bis wir dran sind - an Überholen ist gar nicht zu denken. Als wir auf der italienischen Seite abfahren, wird es merklich wärmer. Wir beschließen, eine Pause zu machen und halten an einem von Mopedfahrern bevölkertem Restaurant. Es gibt nur eine Bedienung und an unserem Tisch sitzen Leute, die schon seit iner Weile vergeblich versuchen zu bezahlen. Die Bedienung kommt mit dem Geld einsammeln nicht hinterher (dieses Problem möchte ich haben). Da wir eigentlich heute schon noch zum Gardasee wollen, fahren wir weiter ohne zu bestellen.
In Meran ist’s tierisch heiß und wir tun uns ziemlich schwer, dir richtige Ausfallstraße in Richtung Gampenpass (1518 m) zu finden. Die Beschilderung ist etwas spärlich. Ohne Fahrtwind klebt das Leder an uns wie eine zweite Haut.
Der Lago di San Giustina bei Cles sieht wirklich malerisch aus. Nache einem Fotostopp begeben wir uns mal wieder auf kleine Nebenstrecken. Über Tuenno erreichen wir auf einer wunderschönen Strecke Ponte Arche. Auf einer dieser Strecken sehen wir den ersten ernsteren Unfall an diesem Wochenende. Es hat zwei Mopedfahrer erwischt, die ziemlich verdattert neben Ihren geschrotteten Maschinen stehen. Zum Glück hat es offenbar keine ernsteren Verletzungen gegeben. Jedenfalls bremst uns der Anblick etwas ein. Auf der “421”, die von Ponte Arche nach Süden führt, erreichen wir Riva. Die Zimmersuche gestaltet sich wegen des Wochenendes etwas schwierig, aber nach einigem Rumfragen finden wir ein nettes Zimmer in Malcesine.

3.Tag: 384 km
Bereits am Morgen ist’s recht heiß. In Riva verfransen wir uns nur kurz, aber lang genug, dass der fehlende Fahrtwind den Schweiß in Strömen rinnen lässt. Nur schnell weiter. Auf unserer Karte ist kurz hinter Riva ein Abzweig ins Val di Ledro eingezeichnet, den wir allerdings nicht finden. Schon wieder umdrehen? Nein - also weiter, die Karte zeigt noch andere vielversprechende Wege. In Limone zweigt eine kleine Straße ab, die bergauf führt. Blöd nur, dass wir nach einigem Herumgurken feststellen müssen, dass der Passo Nota für Motorräder gesperrt ist. Wir geben entnervt auf und fahren nach Riva zurück. Der Tankwart erklärt uns den Weg, noch ehe wir mit unserer Frage fertig sind. Offenbar sind wir nicht die ersten, die den Abzweig ins Val di Lidro suchen. Ein Schild wäre keine schlechte Idee... In einem sehr langen Tunnel kühlen wir soweit ab, dass wir das wirklich reizvolle Val di Ledro auch genießen können. In Storo biegen wir nach Süden ab. Am Lago d’Idro biegen wir rechts ab, über den Passo Groce Domini (1382 m) nach Bienno.

Fronleichnamsprozession

 Auffahrt zum Timmelsjoch

Pso Groce Domini

 Pso Groce Domini

 

 Gaviapass

Gaviapass
Gaviapass
Gaviapass
Schwägalp
Schwägalp

Gaviapass

 Gaviapass

Gaviapass

 Schwägalp

 

 Schwägalp

Von hier nehmen wir die Hauptstraße bis Boario. Die Karte weist in dieser Gegend noch einige vielver- sprechende Straßen aus, wir wollen uns aber so langsam wieder in Richtung Norden orientieren. Die schmale Straße durch das Val di Scalve gehört eindeutig in die Kategorie “Traumstraßen”.  Sie zweigt in Boario ab und führt über Schilpario nach Malonno. Die gesamte Strecke ist fast ausschließlich einspurig, so dass man etwas Zeit einplanen sollte, die Landschaft ist aber absolut reizvoll. Dass diese Strecken nicht ganz ungefährlich sind, wird uns vor Augen geführt, als wir wieder an eine Unfallstelle kommen. Ein Mopedfahrer ist anscheinend ausge- rutscht und von der Straße abgestürzt. Die Polizisten halten uns an, obwohl wir gut an dem Bergungswagen hätten vorbeikommen können. So sehen wir zu, wie das Moped per Seilwinde geborgen wird. Ein erzieherischer Effekt, der auch auf uns eine gewisse Wirkung hat..
In Schilpario machen wir Pause und genießen auf Logenplätzen, eine Parade wirklich exquisiter Oldtimer, die offenbar an einer Oldtimerralley teilnehmen.
Jetzt steht noch ein Alpen-Klassiker auf unserem Programm: der Gaviapass (2618 m) von Ponte di Legno nach Bormio. Ebenfalls über weite Strecken einspurig geht die Straße bis zur Passhöhe auf 2618 m. Wir glauben kaum, dass wir so hoch sind, denn es ist noch immer recht warm Schnee ist um diese Jahreszeit auch keiner mehr zu sehen. Die Straße durch Val di Scalve hat uns besser gefallen…
Da es noch nicht allzu spät ist, beschließen wir noch heute über das Stilfser Joch (2758 m) unter die Räder zu nehmen. Wie schon in 2000 haben wir praktisch freie Fahrt bis zur Passhöhe. Die Kehren sind meist leicht überhöht und genau richtig für den zweiten Gang. Entsprechend macht es riesigen Spaß, zur Paßhöhe zu rennen. Anders als vor drei Jahren ist das Joch jetzt natürlich geöffnet  und wir können nach Südtirol abfahren. Allerdings ist die Abfahrt nicht ganz so lustig. Die Kehren sind wirklich sehr eng und steil und der Straßenbelag ist ziemlich schlecht. Zudem sind plötzlich viele Mopedfahrer unterwegs, die die Ideallinie besetzen. Wir sehen den zweiten Unfall des Tages und bemerken dass auch wir einigermaßen müde vom Tag am Lenker sind.
Wir fahren bis Sponding und nehmen dann die “40” nach Norden. Wegen der späten Stunde herrscht wenig Verkehr, so dass man die langezogenen Kehren zum Reschensee ganz schön flott nehmen kan (wie war das noch gleich mit dem erzieherischen Effekt?). Graun am Rechensee versank einst im See und wurde etwas höher wieder aufgebaut. Der alte Kirchturm, der noch immer aus dem Wasser ragt, ist bestimmt jedem schon mal aufgefallen, der hier vorbeigekommen ist. Das Thema ist angesichts der Nachrichten über die Flutung des Drei-Schluchten-Damms in China hier gerade wieder sehr aktuell. Wir finden ein schönes Zimmer und ein prima Abendessen (Pension bei Claudia) und sind zufrieden.

4. Tag 496 km
Die Passhöhe des Reschenpasses (1504 m) am nördlichen Ende des Sees ist unspektakulär. Kurz vor zweigt links eine Straße in die Schweiz ab. Die Sepentinen hier sind genau richtig zum Einschwingen am Morgen. Leider müssen wir uns mal wieder über andere Mopedfahrer wundern. Wir laufen auf zwei Mopedfahrer auf, die etwas langsamer unterwegs sind als wir. Wir überholen problemlos. Offenbar fühlt sich der vordere R 1100-Reiter aber in seiner Ehre getroffen und hängt sich an uns an. Dass seine hinter ihm fahrende Begleiterin ihn dabei aus den Augen verliert, scheint ihn nicht mehr zu interessieren: Der Mann sieht schwarz (unsere Mopeds vor sich). Das Ganze gipfelt darin, dass er versucht, seine Mehrleistung auszuspielen und sich mehrmals auf den Geraden neben uns zeigt. Da ihm aber offenbar die nötige Routine fehlt, fällt er in den Kehren immer wieder weit zurück. Man kann nur den Kopf schütteln. Dies sind genau die Motorradfahrer, die sich und andere in gefährliche Situationen bringen und die den Ruf von Motorradfahrern insgesamt ruinieren. Sportlicher Ehrgeiz ist auf einer öffentlichen Alpenstraße völlig fehl am Platze - etwas mehr Gelassenheit erhöht den Spass ganz beträchtlich. Man muss einfach akzeptieren, dass Motorradfahrer unterschiedlich schnell unterwegs sind - jeder hat sein persönliches Tempo, bei dem er sich sicher fühlt und bei dem der Spass nicht zu kurz kommt. Dass dieses Tempo manchmal über der zulässigen Geschwindigkeit liegt, verstehe ich. Dass manche aber offenbar aus falschem Ehrgeiz über ihre Verhältnisse fahren und dabei sich und andere gefährden, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Warum kann dieser Dilettant nicht  “sein” Tempo beibehalten und andere, die schneller unterwegs sind, einfach ziehen lassen?

Nach diesem kleinen Ärgernis wenden wir uns aber schnell wieder der herrlichen Landschaft zu. Wir bleiben diesmal aus zeitlichen Gründen auf der “27”, obwohl wir aus dem Jahr 2000 eine sehr reizvolle Alternative kennen. In Susch zweigen wir ab, um den Flüelapass (2383 m) (vgl. 1997er Tour) zu erklimmen. Auf der Passhöhe herrschen richtig angenehme Temperaturen, hier könnte man es aushalten. Nach einem Fotostopp fahren wir aber weiter.
Wir hatten uns vorgenommen, diesmal auf der Rückfahrt keine Autobahn zu nehmen, sondern auf dem Heimweg durch den Schwarzwald zu fahren. Dementsprechend wenden wir uns in Davos/Dorf nach Norden und fahren über den Wolfgangpass (1631 m - war da ein Pass?) und Klosters nach Landquart. Die Straße im Rheintal entlang über Sargans und Buchs nach Gams besteht aus einer Aneinderreihung von Ortsdurch- fahrten und bietet Motorradfahrern eigentlich nichts. Wer eine Schweizer Autobahnvignette sein eigen nennt, dem sei für dieses Stück die parallel verlaufende Autobahn empfohlen.
In Gams biegen wir links ab, wo die Strecke wieder etwas schöner wird. Kurz hinter Nesslau zweigt rechts die Straße zu Schwägalp (1278 m) ab. Hier macht es wieder richtig Spaß. Die Straße schlängelt sich durch die Hügellandschaft des Appenzeller Lands mit vielen Gelegenheiten für Fotostopps.

In Waldstatt halten wir uns links und schlagen uns auf kleinen Nebenstraßen über Schwellbrunn und Flawil nach Wil durch. Auf dem weg nach Konstanz verlieren wir wegen einiger Umleitungen etwas Zeit. Dennoch bliebe noch genug Zeit für unsere Rückfahrt durch den Schwarzwald. Bei einem Stopp kurz vor Singen wirft Carsten einen Blick auf seinen Hinterreifen und stellt fest, dass dieser seit dem Flüela doch arg abgebaut hat. Es gibt nur noch eine kleine stelle auf dem Umfang, an der die Karkasse nicht zu sehen ist (irgendwie scheint die Guzzi die Reifen zu fressen, vgl. 2002er Tour). Jedenfalls ist Carsten unter diesen Voraussetzungen nicht mehr sonderlich überzeugt von unserem Plan, noch ein paar kurvige Bergstraßen im Schwarzwald zu erkunden und schlägt vor, über die Autobahn heimzuschleichen - aber gaaanz vorsichtig. Auf dieser Autobahnfahrt erreichen wir nur höchst selten Tempo 100 - damit dürfte mein Versäumnis mit der Bremsflüssigkeit zu Beginn unserer Tour jedenfalls ausgeglichen sein.

So liebe Biker, leider habe ich Euch zum Abschluss eine traurige Mitteilung zu machen. In den kommenden drei Jahren wird unsere Alpentour mit ziemlicher Sicherheit ausfallen, da ich mich für einige Zeit in den USA aufhalten werde. Mal sehen, vielleicht kann ich an dieser Stelle über einige Touren dort berichten. Aber wie sagte schon Paule Panther? “Heute ist nicht aller Tage, ich komm’ wieder - keine Frage!” Über Eure emails freue ich mich auch weiterhin.