© Harald Krondorfer

Gesamtfahrstrecke: ca. 1450 km

1. Tag: 392 km
Da Christi Himmelfahrt in diesem Jahr sehr früh liegt und demzufolge viele Pässe noch Wintersperre haben, brechen wir erst am verlängerten Wochenende um Fronleichnam auf. Leider schaffen wir es dieses Mal nicht, alle drei unter einen Hut zu bekommen und sind deshalb nur zu zweit unterwegs. Zum Ausgleich macht aber Carsten diesmal Krach für zwei. Nachdem ich seit nunmehr fünf Jahren seine Japanfeile ignoriert habe, hat er sich nun endlich durchgerungen, sich ein Moped mit Charakter zuzulegen: eine Moto Guzzi V1100 Sport. Das kann man auch als Boxerfan gelten lassen.

Unsere Fahrt nach Süden führt zunächst auf wohlbekannten Strecken über Remseck, Stuttgart, Esslingen-Berkheim, Denkendorf, Köngen und Nürtingen. Das Problem stellt sich in jedem Jahr: Wir wollen den Ballungsraum um Stuttgart möglichst schnell hinter uns lassen, ohne jedoch zu lange über Autobahnen oder mehrspurig ausgebaute Bundesstraßen zu fahren. In Grafenberg beratschlagen wir daher kurz und entscheiden uns für den Abzweig über Kohlberg zur Neuffener Steige. Die ist zwar an Sonn- und Feiertagen für Motorradfahrer gesperrt, wir sind aber trotzig und werden sie trotzdem befahren. Die Sperre hat ihre Ursache – wie so oft – in der Häufung von Motorradunfällen an den Sommerwochenenden. Wir sind uns jedoch sicher, auch am Wochenende auf uns selbst aufpassen zu können.

Dies ist der Anfang einer sehr empfehlenswerten Route gen Süden. Einerseits kommen wir recht gut voran, andererseits befahren wir sehr schöne Nebenstrecken. Hinterher sind wir uns einig, dass dies die bislang beste Anfahrt zu unseren Alpentouren war.

Doch der Reihe nach: Unmittelbar nachdem wir die Neuffener Steige raufgefahren sind, geht’s auch gleich wieder bergab nach Bad Urach. Von hier geht die Straße wieder auf die Alb nach Gächingen – Alb-hopping at its best. Eine schöne Strecke führt nach Zwiefalten, wo wir an der großen Klosterkirche von der Haupt- auf eine kleine Nebenstraße nach Pflummern abzweigen. Dieses Sträßchen ist ein echter Genuß, eine wirklich empfehlenswerte Alternative zur B 312. Da wir die Bundesstraße meiden möchten, wenden wir uns in Riedlingen nach Bad Buchau und von dort nach Bad Waldsee. Kurz hinter Bad Waldsee entdecken wir auf der B 30 ein Schild „Ravensburg (Nebenstrecke)“.
Wir fühlen uns angesprochen und finden ein recht kurvenreiches und wenig befahrenes Sträßchen vor, dem wir über Gambach nach Ravensburg folgen. derart ermutigt, biegen wir hinter Ravensburg schnell wieder von der B 32 ab und fahren über Grünkraut (was für’n Name!), Neukirch, Niederwangen und Hergatz nach Lindenberg i. Allg. Allerdings ist uns dieser Teil der Strecke nicht so im Gedächtnis geblieben wie die Nebenstrecken zuvor. Da wir heute noch ein bisschen voran kommen möchten, meiden wir Lindau und Bregenz und nähern uns der Grenze nach Österreich über Scheidegg und Scheffau. In Österreich halten wir an der allerersten Tanke (als Schwaben fahren wir schon lange auf Reserve, weil ja der Sprit bei den Nachbarn um einiges günstiger ist). Über Doren, Krumbach, Lingenau und Müselbach gelangen wir auf die Bundesstraße 200. In Au biegen wir rechts ab nach Damüls. Jetzt endlich wird’s so richtig alpin!
Diesen Teil der Strecke kennen wir schon von unserer Tour in 2000, im Unterschied zu damals ist in diesem Jahr der Furkapass (1761 m) aber geöffnet. Der aber ist nicht sonderlich spektakulär und hat mit seinem sehr viel höher gelegenen Namensvetter in der Schweiz (siehe auch Alpentour 1998) wenig gemein. Wir folgen also der Straße durch das Laternser Tal bis nach Rankweil und wenden uns dann wieder gen Süden. Über Satteins und Thüringen (nein, wir haben uns nicht verfahren) gelangen wir nach Bludenz. Da es inzwischen schon recht spät geworden ist, suchen wir uns in Schruns eine nette Bleibe und lassen den Tag bei ein paar Bierchen und Benzingesprächen ausklingen.

Alpentour 2002

 Übersichtskarte

im Allgäu
im Allgäu
Furkapass
Paznauntal
2. Tag: 418 km
Das Wetter ist sehr vielversprechend und so macht sich bei uns eine gewisse Unruhe breit. Heute steht zunächst die (mautpflichtige) Silvretta Hochalpenstraße zur Bieler Höhe (2009 m) auf dem Programm. Ich habe die 25 Serpentinen von einer Tour vor acht Jahren nicht in allerbester Erinnerung – was aber am miserablen Wetter damals lag. Heute aber scheint die Sonne, die Straße ist trocken und wir haben mächtig Spaß. Die Kehren sind nicht zu eng und zudem teilweise leicht überhöht, so dass man sie sehr zügig nehmen kann. Eh wir’s uns versehen sind wir oben und müssen für ein Foto noch mal ein Stück bergab fahren – es gibt Schlimmeres.
Die Abfahrt ins Paznauntal kommt ohne viele Kehren aus. Die breit ausgebaute „188“ nach Landeck und die „171“ verdienen keine Besondere Erwähnung. Unser Ziel ist das Ötztal. Allerdings müssen wir in Ötz feststellen, dass wir einen Tag zu früh dran sind. Das Timmelsjoch wird erst am nächsten Tag (1. Juni) geöffnet. Macht aber nix, der Kühtai-Sattel (1967 m) ist ebenfalls neu für uns. Nach den breit ausgebauten Hauptstraßen bietet diese Strecke wieder einigen Alpenspaß. Oben angekommen müssen wir feststellen, dass die Guzzi ihre Reifen frisst. Bei der Abfahrt waren die Gummis zwar nicht neu, aber durchaus okay, jetzt allerdings kann man das nicht mehr behaupten. Und so sind wir dummerweise zu einer längeren Pause bei einem Reifenhändler in Innsbruck gezwungen. Nach dieser für Carsten recht teuren Pause geht’s über den Brenner (1374 m) nach Italien. Vielleicht genau die richtige Strecke um neue Reifen einzufahren...

In Sterzing biegen wir ab zum Penser Joch (2214 m). Wieder einer der Übergänge, die bei unseren früheren Alpentouren immer noch gesperrt waren. Die Auffahrt von Norden ist auch lohnend, die Abfahrt nach Süden allerdings etwas enttäuschend. Es geht meist geradeaus den Berg runter. Da trifft es sich gut, dass die Karte ca. 8 km hinter Sarnthein einen Abzweig nach Ritten aufzeigt, dem wir auch folgen. Die Straße wird immer enger und kurviger und bietet so einiges, bis sie bei Barbian wieder Tal auf die Hauptstraße mündet.
Wir fahren nur ca. 12 km auf der Brennerstraße nach Süden, um in Blumau in Richtung Pso. Nigra (1690m) abzubiegen. Die Straße mündet kurz vor der Passhöhe des Pso. di Costalunga (1753 m) auf die Straße ins Fassatal (siehe auch Alpentour 1999). Der Blick auf die Dolomitengipfel ist hier einfach grandios. In Canazei beschließen wir, uns so langsam nach einer Bleibe umzusehen, uns fliegt aber zunächst nichts passendes zu. Da wir angesichts der freien Straßen, der tollen Landschaft und des tollen Wetters aber auch noch gar nicht so richtig satt sind, beschließen wir, heute zumindest noch über das Pordoijoch (2239 m) zu fahren. Auf der Passhöhe sehen wir, dass auf der östlichen Seite die Wolken hängen. Bei der Abfahrt wird es gleich recht kühl und zum Teil ist die Straße von einem Regenschauer auch noch nicht komplett trocken. Lauter Gründe, sich in Arabba intensiver mit der Zimmersuche zu beschäftigen. Wir werden fündig, stellen die Tankrucksäcke ins Zimmer und begeben uns auf direktem Wege in eine urgemütliche Pizzeria.

  im Allgäu

 im Allgäu

 

 Furkapass

 Paznauntal

Pordoijoch
Pso. di Valparola
Timmelsjoch
Timmelsjoch

Am Pordoijoch zieht Nebel auf

 

Pso. di Valparola

 Timmelsjoch

 Timmelsjoch

3. Tag: 646 km
Nach einem miserablen Frühstück machen wir uns auf die Socken. Das Wetter versöhnt uns aber schnell wieder. Wir Fahren ostwärts zum Pso di Falzarego (2117 m). Auf der Passhöhe zweigt die Straße über den Pso. di Valparola (2197 m) ab. Immer wieder ergeben sich tolle Aussichten, die einen Fotostopp lohnend machen. Die Dolomiten sind einfach klasse! Da es noch recht zeitig ist, beschließen wir in Stern la Villa, nun doch noch die komplette Sella Ronda zu machen und biegen links ab nach Corvara. Und los geht’s: Grödnerjoch (2137 m), Sellajoch (2240 m), Pordoipass (2239 m) und Pso. di Campolongo (1875 m). Nirgends kann man vier Pässe in so kurzer Zeit und vor einer so grandiosen Kulisse befahren! Und wieder haben wir Glück: Es gibt noch nicht allzu viel Verkehr, so dass wir den Kurvenspass unbelästigt von Wohnmobilen und Dieselschwaden genießen können. Einen kleinen Wermutstropfen gibt’s am Sellajoch: Nach einem Fotostopp beeilen wir uns, noch vor einem Reisebus wieder los zu kommen, der die Serpentinen hochschleicht. Eigentlich auch kein Problem, doch Carsten ist unaufmerksam und bleibt mit dem Vorderrad am Straßenrand hängen. Die Guzzi fällt in die stabile Seitenlage und die Senioren im Bus haben ihren Enkeln zu Hause was zu erzählen.

In Corvara wenden wir uns wieder nach Norden bis nach St. Martin. Wir haben uns mit einem Bekannten, der zur gleichen Zeit mit einer anderen Gruppe unterwegs ist verabredet. Gemeinsam nehmen wir das Würzjoch (2006 m) unter die Räder. diesen Pass kennen wir schon von unserer letztjährigen Tour. In Brixen ist die Brennerstraße wegen eines Unfalls gesperrt. Da wir noch heute übers Timmelsjoch und nach Hause wollen, trennen wir uns wieder und fahren zu zweit wieder. Es geht halt doch zügiger als in einer größeren Gruppe. wir umfahren die Unfallstelle und komen auf der Brennerstraße bis Sterzing. Wir sind froh, von der vielbefahrenen Hauptstraße abbiegen zu können und nehmen Kurs auf den Jaufenpass (2094 m). Der hat sowohl landschaftlich als auch fahrerisch einiges zu bieten und ist zu Recht in der Karte als „landschaftlich besonders schöne Strecke“ geadelt. Damit steht uns  der Höhepunkt unserer diesjährigen Tour, was die Höhe über N.N angeht, unmittelbar bevor: Das Timmelsjoch, das heute erstmals in diesem Jahr wieder freigegeben ist. Der Aufstieg auf die 2474 Meter hohe Passhöhe erscheint uns sehr lang – ist er auch, denn schließlich sind mehr als 1700 Höhenmeter zu erklettern. Oben an der Passhöhe ergibt sich endlich mal die Gelegenheit, ein paar Fotos vor eindrucksvollen Schneewänden zu schießen, dann folgt die Abfahrt ins Ötztal.

Das Ötztal zieht sich jetzt wie Kaugummi, nach der tollen Auffahrt aufs Timmelsjoch ist die breit ausgebaute Straße mit viel Verkehr recht nervig. In Imst stehen wir vor der Entscheidung, ob wir schnell nach Hause oder lieber noch übers Hahntennjoch wollen. Da es schon spät ist und der Hintern doch arg schmerzt und da wir das Hahntennjoch noch vom letzten Jahr in Erinnerung haben, geben wir Gas und fahren über den Fernpass (1209 m) und Reutte nach Nesselwang. Die nächsten zwei Stunden auf der Fahrt über die A7 und A8 müssen wir halt einfach die Zähne zusammenbeißen, auch wenn die Handgelenke, der Nacken, der Rücken und der Hintern (!) noch so schmerzen. Die Rückreise auf der Autobahn ist jedes Mal ätzend. Wir fahren in Esslingen ab und am Neckar entlang über Stuttgart und Remseck zurück nach Ludwigsburg. Mann, war das wieder ein klasse Wochenende!